Wie die Diagnose Brustkrebs mein Leben verändert hat

»Sie haben Brustkrebs.« Dieser eine Satz stellte mein Leben von heute auf morgen komplett auf den Kopf. Plötzlich war nichts mehr so wie früher. Ich war gezwungen mein Leben neu zu denken und erkannte was mir wirklich ist.

13. März 2023 17:05h mein Smartphone klingelt. Ich sitze gerade mit meinem Mann im Auto auf dem Weg zu einem geschäftlichen Termin. Im Display leuchtet die Nummer des Brustzentrums der Uniklinik Köln auf. Da ist er also, der seit Stunden erwartete Anruf der Gynäkologin.

Vier Tage zuvor wurde bei einer Routine-Mammographie eine Unregelmäßigkeit entdeckt. Der zuständige Radiologe hatte daraufhin die Empfehlung für eine Stanzbiopsie gegeben, die ich noch am selben Tag durchführen ließ. Zunächst war ich noch recht entspannt gewesen. Es handelte sich um den Bereich, der in den letzten 15 Jahren bereits dreimal biopsiert wurde. Außerdem war ich wegen der Brustkrebserkrankungen meiner Großmutter und Mutter in einem speziellen Früherkennungsprogramm mit regelmäßigen MRTs, Ultraschalluntersuchungen und Mammographien. Was sollte mir bei soviel Kontrolle schon passieren. Doch irgendwie meldete sich diesmal ein komisches Bauchgefühl.

»Es wurden bösartige Zellen gefunden!«

Mein Mann fährt rechts ran und ich nehme mit leicht zitternden Händen den Anruf entgegen. Ich stelle auf laut, so dass Matthias mithören kann. Die Ärztin spricht mit ruhiger, sachlicher Stimme. »Guten Tag Frau Reusser, leider muss ich ihnen mitteilen, es wurden bösartige Zellen gefunden.« Mir wird heiß und kalt, alles dreht sich und ich fange an zu schreien. »Nehmen Sie mir diese scheiß Brüste ab.« Mein Mann versucht mich zu beruhigen, während er gleichzeitig einen Besprechungstermin mit der Ärztin vereinbart.

Schlimmer geht immer 

Zwei Tage später sitze ich mit meinem Mann im Brustzentrums der Uniklinik Köln, um zu erfahren, welche Art von Brustkrebs ich genau habe. Die Dame bei der Anmeldung drückt mir die Unterlagen in die Hand und wir nehmen in der Wartezone platz. Ich öffne meine Akte und lese den Pathologiebericht – tripple negativ. Ich weiß, was das bedeutet. Ich habe mich in den letzten Tagen sehr intensiv mit dem Thema Brustkrebs beschäftigt. Tripple negativ ist die aggressivste Form mit den höchsten Sterberaten insbesondere bei jungen Frauen. Ich kann es nicht glauben. Wann erwache ich wieder aus diesem Alptraum. Erstaunlich gefasst, betrete ich das Arztzimmer. Die Ärztin erklärt mir ausführlich das weitere Vorgehen. Um eine harte Chemotherapie mit Haarverlust werde ich nicht herumkommen. Die nächsten Monate werden eine Herausforderung für Körper und Seele werden – ein Kampf ums überleben.

Am Rande des Nervenzusammenbruchs

Die ersten Wochen sind hart. Ein Arzttermin jagt den nächsten. Die Suche nach möglichen Metastasen beginnt und treibt mich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Wie hält ein Mensch so etwas aus? Die ersten Nächte wache ich schweissgebadet auf, träume ständig vom Tod. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass der Alptraum endlich ein Ende hat. Aber der Alptraum ist meine neue Realität. Ich begreife, dass ich die Herausforderung annehmen und akzeptieren muss, um jemals wieder eine Nacht durchschlafen zu können. Das ist wichtig, damit mein Körper genügend Kraft im Kampf gegen den Krebs hat. 

Was wünsche ich mir noch vom Leben?

Die letzten Jahre habe ich zwischen Verpflichtungen von Beruf und Familie so dahingelebt. Meist waren meine Gedanken irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft, selten konnte ich den Moment im Hier und Jetzt genießen. Möchte ich so in Zukunft weiterleben? Was wünsche ich mir noch von meinem Leben? Ich schreibe eine Liste mit kleinen und großen Dingen, die ich noch erleben möchte und fange an, sie umzusetzen. Ich fahre mit der Familie spontan für ein paar Tage nach Holland ans Meer. Früher hätte ich so einen Urlaub genauestens durchgeplant. Ich erlebe, trotz der Schwere, die die Krankheit mit sich bringt, intensive Glücksmomente. Lerne, was es bedeutet, dankbar im gegenwärtigen Moment zu leben.

Wer und was tut mir gut in meinem Leben?

Ich fange an, meine Beziehungen zu hinterfragen. Ich lerne neue Menschen kennen, vertiefe wertvolle Freundschaften und löse mich von einer Reihe oberflächlicher Kontakte. Ich spüre, dass ich schon eine ganze Weile mit einigen Menschen aus meinem »Freundeskreis« nichts mehr anfangen konnte. Lange Zeit habe ich mich verstellt, um anderen zu gefallen, anstatt mich zu zeigen, wie ich wirklich bin. Ich entdecke wieder meine Kreativität und tanke Kraft beim Malen und Handarbeiten.

Wie möchte ich wahrgenommen werden?

Immer wieder verfolgt mich die Frage, wie möchte ich bei den Menschen in Erinnerung bleiben? Als die kontrollierte, perfekte Frau, mit den langen, dicken Haaren, der schlanken Figur, die ständig gestresst wirkt und kaum Zeit hat, das Leben zu genießen. Oder als die selbstbewusste, kreative Frau, die sich mit einer selbstironischen Gelassenheit dem gesellschaftlichen Leistungsdruck entzieht und emphatisch ihre Mitmenschen unterstützt. Das zweite war schon immer mein heimliches Wunschbild, doch ich hatte es bisher nie richtig geschafft, so zu leben. 

Keine Zeit mehr verlieren

Die Krankheit hat mir auf schmerzliche Weise bewusst gemacht, dass ich keine Zeit mehr zu verschwenden habe mit einem Leben, dass nicht zu mir passt. Am Ende möchte ich nichts bereuen und der Menschen gewesen sein, der sich für mich richtig anfühlt.