Der gestrige Tag hat mich ziemlich aus den Socken gehauen. Schön brav war ich bei meinem regelmäßigen Brustscreening. Diesmal mit Mammographie und Ultraschall. Aufgrund familiärer Vorbelastung und einer ausgeprägten Mastopathie* muss ich mich halbjährlichen Kontrollen unterziehen. Ich bin immer ein bisschen aufgeregt, versuche aber optimistisch zu bleiben. Schließlich hat mein Körper mit der Adenomyose* und der Vitiligo* schon oft genug hier geschrien, so dass er mich wenigstens beim Thema Brustkrebs verschonen könnte.
Alles nur Routine
Ich lasse also Mammographie und Ultraschall über mich ergehen und plane mit der Ärztin das weitere Vorgehen für die nächsten Monate. Einen störenden Knoten möchte ich mir im Herbst rausoperieren lassen, aber erstmal den Sommer genießen. Es besteht kein Grund zur Sorge. Seit meiner Ernährungsumstellung fühle ich mich fit und gesund. Besitze so viel Kraft wie selten zuvor in meinem Leben. Bis auf die Vitiligo habe ich mich mit meinem Körper versöhnt, der mir in der Vergangenheit so häufig Probleme bereitet hat. Nach kurzer Rücksprache mit der Radiologie entlässt mich die Ärztin mit den Worten »alles unauffällig« und ich spüre wie die Anspannung der letzten Tage von mir abfällt. Beschwingt und erleichtert verlasse ich die Klinik.
Doch nicht alles OK
Auf dem Weg zum Auto klingelt mein Telefon – eine anonyme Nummer. Wahrscheinlich der Tennisladen, der mir mitteilen will, dass ich den Schläger meiner Tochter abholen kann. Nein, am anderen Ende der Leitung ist meine Ärztin. Ich frage mich kurz, ob ich meinen Schal oder meinen Schirm vergessen habe. Sie teilt mir mit, dass sich der Oberarzt aus der Radiologie nochmals bei ihr gemeldet hat. Er ist der Meinung, dass sich meine Mammographie verändert hat und doch nicht so unauffällig ist. Er wünscht eine Abklärung des suspekten Bereichs mittel Stanzbiopsie. Sie fragt mich, wann ich die nächsten Tage Zeit habe und trotz meiner Schockstarre antworte ich »jetzt, sofort.« Ich laufe zurück in die Klinik. Mein Kopf ist wie benebelt, ich habe fürchterlichen Hunger nach dem Untersuchungsmarathon vom Vormittag und gleichzeitig Angst, was auf mich zu kommt. Ich habe von Frauen gehört, dass eine Stanzbiopsie unglaublich schmerzhaft sein soll. Gott sein Dank geht alles schnell. Betäubung der Brust, drei Gewebeentnahmen und das Setzen einer Drahtmarkierung. In meiner rechten Brust sitzt jetzt ein kleiner Titanfaden. Die Ärztin lässt sich nichts anmerken, gibt keine Prognose ab. Ich soll warten, bis das Ergebnis vorliegt. Voraussichtlich ca. 4 Tage wird es dauern, bis das Gewebe untersucht ist.
Angst, Wut und pure Verzweiflung
Beim Verlassen der Klinik spüre ich, wie ich weiche Knie bekomme. In meinem Kopf beginnt das Grübelkarussell, mir wird schwindelig und schlecht. Ich bin unendlich wütend und habe Angst. Ausgerechnet jetzt, wo ich nach dem langen Leiden mit meiner Gebärmutter endlich wieder fit bin, einen Job habe, der mir Spaß macht und das Leben genieße, will mich mein Körper wieder in die Knie zwingen? Ich dachte wir könnten endlich Freunde werden. Mit der Vitiligo habe ich mich tapfer arrangiert, solange ich von sonstigen Schmerzen verschont bleibe. Ich hatte wieder mutig Vertrauen in meinen Körper gefasst. War fest davon überzeigt, dass auch ich einen gesunden, glücklichen Körper haben kann und jetzt bestand die Möglichkeit, dass ich vor dem nächsten Behandlungsmarathon stehe mit ungewissem Ausgang.
Bloß nicht reinsteigern
Dieser Tipp meiner Mutter ist leichter gesagt als getan. Seit gestern habe ich stundenlang im Internet recherchiert. Versucht mich mit Statistiken zu beruhigen und mich dank Forenbeiträgen verrückt gemacht. Ich schwanke zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Ich weiß nicht, wie ich die Zeit bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse überstehen soll. Verzweifelt versuche ich mich abzulenken und Vertrauen in meinen Körper zu fassen, dass egal wie das Ergebnis ausfällt, wir es gemeinsam schaffen werden. Ich empfinde mich und meinen Körper eine Zumutung – für mich und vor allem für meine Familie. Ich will keine Belastung sein, will endlich wieder selbstbewusst leben.
Selbstliebe, auch wenn sie gerade besonders schwerfällt
Ich bin wütend. Hasse meinen Körper und verkrieche mich erstmal ins Bett. Warum soll ich jetzt noch gesund essen, mich bewegen und mir so viel Mühe geben, wenn das alles nichts bringt. Mein Körper ist und bleibt ein Wrack, mit dem ich nicht wirklich alt werden kann. Ich atme tief durch, versuche das Gedankenkarussell zu stoppen. Ich sehe meine Kinder. Eine super Leistung, die mein Körper da geschafft hat. Ich habe eine gute Grundkonstitution, die Operationsnarben der letzten Jahre sind super verheilt, mit Corona habe ich mich letzte Woche auch nicht bei meinem Mann angesteckt. Mein Körper funktioniert gar nicht so schlecht. Mit ein bisschen liebevoller Aufmerksamkeit war er mir in letzter Zeit sehr wohlwollend gegenüber. Ich gehe in die Küche und koche uns einen Kraftbrei, wir meditieren und versuchen zur Ruhe zu kommen. Leise höre ich meinen Körper sagen, »wir schaffen das – egal was kommt.«
Vielleicht bist Du gerade in einer ähnlichen Situation. Habe Mut Deinem Körper zu vertrauen. Freunde sind ein besseres Team, als Feinde. Ich hoffe, dass doch alles gut wird und wenn nicht, werden wir das schaffen.
* Mastopathie ist eine gutartige Brusterkrankung, bei der sich das Brustgewebe verändert. Sie ist hormonell bedingt und betrifft vor allem Frauen zwischen 35 und 50 Jahren.
* Adenomyose ist das Vorkommen von Gebärmutterschleimhaut im Bereich der Gebärmutterwand (Gebärmuttermuskel). Es kann dabei zu starken Schmerzen und Periodenblutungen kommen. Viele Frauen mit Adenomyose leiden auch an einer Endometriose.
*Vitiligo ist eine chronische Erkrankung der Haut. Sie wird auch als Weißfleckenkrankheit bezeichnet und zählt zu den Pigmentstörungen. Bei Vitiligo zeigen sich weiße, scharf begrenzte Flecken auf der Haut. Bekannt geworden ist die Erkrankung durch Michael Jackson und das Model Winnie Harlow.